Über das Auflegen, Arbeitsroutinen und koreanische Gäste
Wie Arbeite ich?
Den folgenden Satz hat sicher jeder DJ schon mal gehört: "Warum soll ich dir soviel Geld zahlen? Du drückst doch eh nur Start/Stop!"
Mit dieser Aussage wird jeder DJ irgendwann mal konfrontiert. Einige DJs, die vielleicht in spezielleren Bereichen, wie Techno, unterwegs sind, kennen das Problem nicht, aber gerade die Event- und mobilen DJs haben diese Frage des Öfteren diskutieren müssen.
Ich möchte in dem heutigen Blog, und in den noch folgenden mal einen kleinen Einblick in die Arbeit eines DJs geben, die vor, während und nach der Veranstaltung anfällt. Auch soll dieser Einblick für Veranstalter sein, die noch keine Argumente sehen, ihren DJs (egal ob Hochzeit, Event oder Club) eine entsprechende Gage zu zahlen. Natürlich hängt auch etwas Verhandlungsgeschick der einzelnen Kürstler daran, wie gut sie bezahlt werden. Denn am Ende vermarkten sich die meisten selber und genau da sollte jeder das Optimale für sich heraus holen, aber eben immer leistungsbezogen. Die Veranstalter sollen schließlich nicht über den Tisch gezogen werden. Eine Win-Win Situation war für beide Parteien schon immer das Beste und Nachhaltigste.
Ich versuche, mich so kurz wie möglich zu halten, denn sonst wird das wieder ein halbes Buch! Damit jeder einmal das Ausmaß der Arbeit mitbekommt möchte ich hier gerne meine Arbeitsweise und Routinen beschreiben. Wie gesagt, es ist nur meine Art zu Arbeiten. Jeder hat natürlich eine andere Sichtweise auf die Arbeit. Jeder DJ hat da sicher auch seine eigenen Methoden. Die können so individuell sein, wie jeder Künstler selber ist aber bei einigen bereichen gleich. Viele Prioritäten sind natürlich anders gewichtet. Je nach persönlicher Situation.
Viele Blickwinkel auf die selbe Sache. Viele Vorurteile die sicher eher witzig und ironisch gemeint sind, es ist aber doch irgendwo ein Funke Wahrheit enthalten. Auf diesem Bild fehlt meiner Meinung nach noch ein wichtiger Punkt: Was denkt der Veranstalter? -> vielleicht „zu teuer“?
Die meisten denken genau das. Sicher nicht alle. Ein paar wissen um den Wert eines guten DJs. Aber jeder hat am Ende doch seine eigene Sicht auf die Arbeit eines DJs. Vielleicht werden dich ein paar Punkte überraschen, die DJs alles berücksichtigen müssen bei ihrer Arbeit. Ich rede hier auch von DJs, die Events, wie Hochzeiten, Geburtstage, Firmenfeiern bedienen. Aber auch für Club DJs kann diese Aufzählung interessant sein. Ich rede hier nicht von DJs, die ein Management haben und schon weltweit berühmt sind. Da unterscheidet sich die Arbeit wesentlich von uns "Standard" DJ´s!
Routinen
Als erstes möchte ich auf das eingehen, was offensichtlich im Vordergrund steht. Das Auflegen! Die Technik des Auslegens zu praktizieren ist einfach. Damit es sich auch gut anhört, so gut, dass die Gäste nicht merken, dass sie gerade voll in den musikalischen Klauen des DJs gefangen sind, muss man als DJ ein wenig üben - was muss denn da geübt werden, fragen sich vielleicht einige von euch?
Als ich mit dem Auflegen anfing, kaufte ich mir zwei Plattenspieler. Dazu ein paar gebrauchte Platten und dann mixte ich mindestens eine Stunde pro Tag Übergänge zwischen den einzelnen Platten. Das war meine tägliche Übungsroutine. Früher habe ich wahllos Songs gemixt. Da gab es auch noch kein Publikum - wäre auch komisch gewesen, wenn die alle jeden Abend in meiner 1 Zimmer Wohnung rumgestanden wären!
Heute muss ich als DJ auf mein Publikum eingehen. Da gibt es verschiedene Interessen zu beachten. Welches Publikum steht mir gegenüber und welche Erwartungen haben sie? Dementsprechend werden zB bei einer Hochzeit die Jahrzehnte der Songs eingegrenzt. Im Club weiss ich als DJ meistens, welches Publikum da unterwegs ist und welche Musik gespielt werden soll. Die meisten Clubkonzepte beinhalten eine musikalische Strategie mit passender Zielgruppe. Hier muss ich mich als DJ natürlich möglichst in diesem Rahmen aufhalten. Bei Hochzeiten muss ich her dynamisch arbeiten.
Mixing
Damit der Übergang der einzelnen Songs auch angenehm klingt, sollte die Harmonie der Songs beachtet werden. Der sogenannte Kay. Wenn sich DJs daran halten, klingen Übergänge harmonischer. So verschwimmen die Lieder besser ineinander. Das hören die Gäste nicht bewusst. Der Übergang klingt, wie aus einem Guss. Gerade beim schnellen Mixen kann das hilfreich sein.
Während des Auflegens muss ein DJ, egal ob er mobiler Hochzeits DJ ist oder auf Festivals spielt, auf die Gäste achten. Keinem nützt eine leere Tanzfläche oder miese Stimmung, weil der DJ dann einfach seinen Stiefel durchzieht. Das macht auch niemanden glücklich. Darum beobachtet der geübte DJ in der freien Wildbahn der Veranstaltungen immer, was denn seine Beutetiere (die Gäste) machen. Ich habe als Gast auf einem Festival mit doch beachtlicher Größe und Gästeanzahl (noch vor Corona) erlebt, dass ein DJ (Dynoro) fast den ganzen Open Air Platz leer gespielt hat. Seine konkurrierenden Kollegen nebenan auf den anderen Feldern haben sich natürlich gefreut, weil deren Plätze dadurch brechend voll waren. Es handelte sich um einen sehr erfolgreichen DJ und Produzenten, dessen Club- und Chartstürmer in jedem Radio rauf und runter gespielt wurde. Er konnte aber weder seinem Vorgänger noch seinem Nachfolger auf dieser Bühne an Dynamic und Musikauswahl das Wasser reichen. Die Übergänge waren gut, aber die Auswahl der Musik war nicht der Hammer. Die Lieder hatten für ein Open Air Set nicht den nötigen Druck, was auf mangelnde Qualität der Lieder schließen ließ. Als Vorgänger hatten Ofenbach aufgelegt (produzieren auch guten Chart-Sounds). Die hatten katastrophale Übergänge, aber eine richtig gute und durchdachte Playlist. Ich weiß nicht, wie viele von den Songs Kurzschlussinspirationen waren oder ob alles geplant war, jedenfalls war die Stimmung zum Ausrasten gut. Die Lieder hatten Druck über das gesamte Open Air Feld. Offensichtlich ist ein schon feierndes Publikum zu übernehmen, nur um dann alles leer zu spielen, ein Statement. Hochzeiten mögen anders sein, klar - du denkst dir sicher - die Leute dort können auch nicht so schnell vor dem DJ flüchten! Aber da herrscht das selbe Prinzip - Party! Stimmung erzeugen mit gut ausgewählten Songs. - Woher weiß ich, welcher Song gut passt? Hier kommen wir wieder auf das Thema - Üben! Auflegen und dir die Gäste genau anschauen. Als DJ bekommt man mit der Zeit einfach ein Gefühl für den Dance-floor.
Mein Tipp: Wenn du angehender DJ bist, dann leg dein Augenmerk nicht zu stark auf die Tanzfläche vor dir, sondern auf den umliegenden Raum. Sitzen die meisten Gäste gelangweilt rum oder stehen immer noch alle im Club an der Bar? - Ran an die Beute! Versuche diese Gäste zu ziehen mit bekannten Songs. Bei Hochzeiten kannst du dir einen Standard Radiosender als Vorbild nehmen - diese Lieder haben deine Gäste sicher alle schon mal gehört und im Club, halte dich an die üblichen Hits des Disco-Genres.
Vorbereitung - Routine - Automatisierung
Nicht nur bei der Veranstaltungen, sondern auch zuhause, beim Vorbereiten, versuche ich alles in Routinen abzuarbeiten. Diese sind meistens so optimiert, dass sie nicht viel Zeit in Anspruch nehmen und immer wie gewünscht funktionieren. Ich habe mir für das Erstellen einer Rechnung oder eines Angebotes ein Template erstellt, damit ich möglichst schnell diese Arbeit erledigen kann. Eine Rechnung erstellen geht bei mir mit drucken in unter 5 Minuten. Das Angebot soll aber trotzdem individuell bleiben - hier hilft mir eine simple Excel Tabelle mit vorgefertigten Formeln. Diese zieht ihre Informationen nur noch aus meiner Datenbank. Früher hat mich ein Angebot mindestens 1 Stunde an Zeit gekostet. Heute bekomme ich ein Standard Angebot mit ausdrucken in 10 Minuten hin. - Ich liebe Automatisierung! Hierzu mehr im zweiten Teil.
Immer neue Musik, immer am Puls der Zeit sein
Was kaum automatisiert werden kann und nach wie vor die meiste Zeit kostet, ist die Recherche nach neuen Songs. Es müssen mehrere Charts auf verschiedenen Plattformen durchsucht und durchgehört werden. Da müssen dann Songs gefiltert werden - ist der Song der neue Sommer Hit oder totaler Schmarrn? Wie unterscheide ich, ob dieser Song das Potenzial zum wirklichen Hit oder Club-Stürmer hat? Viele Songs kann man im Standard Club nicht gebrauchen. Einfach weil der Aufbau und die Stimmung nicht passen. Diese fallen bei mir sofort durchs Raster.
Aber manchmal irrt sich auch ein DJ ... so ging es mir mal, als 2012 der Mega-Hit Gangnam Style von Psy raus kam.
Die Geschichte, warum ich als DJ immer versuche jeden Song dabei zuhaben!
Da jeder DJ so seine Quellen hat, war auch ich in der glücklichen Lage, mir die Charts so früh wie möglich anzuhören zu können. Teils noch bevor sie in den Medien angekommen sind. Oft erkennt man schnell gute Lieder, aber als ich dieses Lied von Psy hörte, stellte es mir die Nackenhaare auf! Ich dachte mir „wer hört denn sowas nur an?“ Ich habe also den Song sofort wieder gelöscht.
Am Abend dann Sachen zusammen gepackt, Rechnung ausgedruckt und ab in den Club. Damals noch im blühenden Münchener Osten - Kultfabrik ich komme! Es war einer der Abende, wo man noch bevor es los geht, merkt, heute ist ein Knistern in der Luft. Es war auch gerade Wiesn Zeit in München und der Club war schon ab Öffnung relativ gut besucht. Der 11er Club - weil er in der Knödelgasse 11 der ehemaligen Pfanni Werke lag - spielte nur Chart-House, Electro-House, Tech-House & "House mit Herz". Der Abend lief wie gesagt gut. Die Stimmung war schon mal super und ich feuerte einen House Song nach dem anderen raus. Der Alkohol floss in Strömen ... also bei den Gästen.
Bis mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich hektisch um und zwei Männer standen da. Der, der mich angetippt hatte, war scheinbar Münchner und sprach mich an: "Hey mein Freund hier aus Korea hat einen Musikwunsch!" Der asiatisch aussehende Mann nickte mir mit neutralem Gesichtsausdruck zu, als ich ihn kurz anschaute. Er wahr sehr chick gekleidet mit weißem Anzug. "Klar, was willst du den hören?" - weil ich immer so freundlich bin ;) versuche ich natürlich auf die Wünsche meiner Gäste einzugehen.
Da es im Club naturgemäß etwas lauter ist, verstand ich kein Wort.
Etwas am CD-Player fing an zu blinken. Mein aktuell laufender Song neigte sich dem Ende - Stress stieg in mir auf, noch kein nachfolgendes Lied parat - oh nein! Auch nach dem zweiten Mal fragen verstand ich ihn nicht - aber ich nickte, lächelte und hob den Daumen. Sofort drehte ich mich wieder um, zog wahllos einen Song aus meinem Club/Party Ordner und macht mit den letzten paar verbleibenden Sekunden einen eher mäßigen Übergang - aber immer noch besser, als Stille, in einem mittlerweile brechend vollen Club! Ich war gleich wieder im Tunnel des Auflegens versunken. Ich sah aber noch, dass die zwei wieder zur Tanzfläche zurück sind zu einer größeren Gruppe von gut gekleideten Koreanern. Es mussten um die 15 bis 20 Personen gewesen sein. Was in so einem kleinen Club schon einiges ausmacht. Ich fragte mich, vielleicht hätte ich doch nochmal nachfragen sollen...
Einige Songs später kam der Koreaner im weißen Anzug wieder zu mir, schaute mich finster an, legte mir einen gefalteten Zettel hin und sagte: "You play... Gangnam Style!" ... und ging wieder zu seinen Leuten zurück. Ich sah mir verwirrt den Zettel an. Da stand nochmal der Song und der Interpret drauf und dann fiel es mir wieder ein ... der Song, den ich wieder gelöscht hatte! Ich faltete den Zettel auf und da fiel ein grüner Schein auf den CD Player ... - ihr kennt doch sicher Homer Simpson, wenn er sich gegen den Kopf schlägt und laut "NEIN!" ruft ... genau den Gedanken hatte ich in diesem Moment!
Wo bekomme ich jetzt den Song her?
Volles Risiko
Ich sagte dem Runner des Clubs, mit etwas Nachdruck, er solle mir das W-Lan Passwort von der Chefin holen! Normal versuche ich mein MacBookPro so gut es geht vom Internet fern zu halten. Einfach damit das System so stabil wie möglich bleibt. Denn 6 bis teilweise 12 Stunden am Stück auflegen kann den Rechner schon an seine Grenzen bringen und da ist jede mögliche Fehlerquelle gift.
Jetzt aber lag der 100 Euro Schein da. Zurückgeben oder sagen: „Sorry, den Song habe ich nicht dabei“ wäre sicher nicht im Sinne der zahlenden Gäste!
Also im Internet schnell den Song gezogen. W-LAN wieder aus - System nicht abgestürzt, alles bis dahin gut gegangen. Schnell noch einen Übergang gemacht und dann den unvorbereiteten Song in das nächste freie Deck gezogen - na hoffentlich geht das jetzt gut?
Lasst die Party beginnen
Ein Schreien und Jubeln ging plötzlich von der gesamten koreanischen Gruppe aus. Die anderen Gäste schauten etwas verwirrt - ein unbekannter Song, aber andere feiern den... „Hab ich was verpasst?“ - Das war deutlich in vielen Gesichtern zu erkennen. Aber die Verwirrung ging noch weiter, denn plötzlich fing der im weißen Anzug an zu tanzen und zu hopsen, wie ein Reiter auf Koks. Ein Kreis bildete sich um ihn und alle Koreaner feierten ihn, wie einen Helden - hab ICH was verpasst? Ich vergas glatt den nächsten Song zu suchen, weil ich das Spektakel nicht verpassen wollte. Ich weiss nicht mehr welchen Song ich danach spielte, aber egal welcher, das war momentan nicht zu toppen! Nach dem ersten Refrain stiegen alle Asiaten aus der Gruppe mit zum Tanzen ein und ein Lein-Dance Spektakel mit hopsenden Reiter-Gästen fand statt. Ich und die meisten anderen Gäste verstanden die Welt nicht mehr. Wer konnte in diesem Moment ahnen, dass nur ein paar Wochen später alle so rum hopsen würden! Im Nachhinein kann ich nicht mehr sagen, ob es vielleicht Psy persönlich war, der mich nach dem Song gefragt hat, um diesen evtl zu promoten? Es war jedenfalls eine skurrile Situation. Was hätte ich gemacht, wenn ich mir den Song nicht kurzfristig hätte runterladen können? Hätte ich das Geld zurückgegeben oder einfach nix gesagt? - Keine Ahnung, aber ich war Teil eines beginnenden Hyps um dieses Lied. Egal, ob der Song nun mir gefällt oder nicht, er war danach 50 Wochen auf Platz 1 der Deutschen Charts!
Lessons Learned
Was habe ich nun gelernt durch diese einmalige Situation? Bist du Party / Event DJ, dann sei möglichst Musikalisch breit aufgestellt. Klar, alles an Musik kannst du niemals haben, aber so viel wie möglich. Google ist voll mit guten Vorschlägen und Playlisten für jedes Jahrzehnt. Auch auf Hochzeiten / Geburtstagen kommt dieses Prinzip immer zu tragen. Wie oft stand jemand neben mir, wollte einen bestimmten Song und hatte dann das Leuchten in den Augen, wenn ich den dann auch noch gespielt habe und alle feierten mit! Das macht einen guten DJ aus. Darum ist meiner Meinung nach auch das gut gepflegte Musik Repertoire eines der wichtigsten Skills, an dem ein DJ arbeiten muss. Technisch sind viele gut, doch wird ein guter Übergang bei den meisten Gästen weniger geschätzt als ein Song, der alle zum Mitsingen oder Mitfeiern animiert!
Mal wieder ein herzliches Danke dafür, dass du bis hierher durchgehalten hast. Ich hoffe, du konntest wieder etwas Wissen mitnehmen oder hattest einfach nur Spass beim Lesen! Hast du Fragen, Anregungen oder Feedback? Dann lass mir gerne einen Kommentar unterhalb des Artikels da.
Was ein DJ im Hintergrund alles noch zu erledigen hat, damit er erfolgreich bleibt, möchte ich gern im zweiten Teil dieses Blog Artikels ausführen. Denn DJs sind nicht nur klangformende Künstler, sondern auch Unternehmer und das bedeutet viel mehr als nur Musik abzuspielen. Hierzu aber mehr in meinem nächsten DJ _Blog Beitrag am 16.08.2020.
Dont Sleep!
Dein Robert
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